Was für ein Tag!
Um 02:19 Uhr meinte mein Meldeempfänger das die Rem-Phase ausreichend für diese Nacht wäre. Der Text auf dem Melder: Sammeln im Feuerwehrhaus! Ok, das klingt nach mehr. Also dann mal nicht nur schnell den Alarmstuhl (Socken, Jogginghose) geplündert, sondern gleich etwas „Feuerwehr-chic“ gemacht.
Am Feuerwehrhaus angekommen erwarteten mich schon die üblichen Verdächtigen.
„Wie, kein Wasser im Keller?“ - „Doch, nur nicht hier…Abmarsch Regionfeuerwehrbereitschaft 4/ IV. Zug um 04:20 Uhr Feuerwehrhaus Burgdorf!“ „Hm, mit so viel mehr hab ich jetzt auch nicht wirklich gerechnet, aber gut!“
Jetzt wird es sportlich. Also wieder nach Hause. Dort wurden erst mal Sachen gepackt: Tasche, Handtuch, Hygieneartikel, Wechsel-Schlüppi… Ah, Schlafsack nicht vergessen. Wohl dem, der beim „Bund“ aufgepasst hat. Für den Rest gibt es eine Packliste. Kurzer Blick auf die Uhr… ja, Duschen ist auch noch drin!
Voller Energie geht es wieder zum Feuerwehrhaus. Im Feuerwehrhaus ist schon der eine oder andere wieder angekommen. Als würden wir nie was anderes gemacht haben, verladen wir unsere Habe in den Fahrzeugen. Auch zusätzliche Ausrüstung wie, Tische und Bänke werden verstaut. Nach und nach trudeln auch die Kameraden aus Dachtmissen, Ramlingen-Ehlershausen und Weferlingsen mit ihren Fahrzeugen ein. Diese haben sich in Ihren Feuerwehrhäusern auch schon präpariert. Zusammen bilden wir den IV Zug der Regionsfeuerwehrbereitschaft 4.
Nachdem die Kaffeebecher noch einmal gefüllt wurden, geht es auch schon los.
Nächster Halt: Sehnde / Schützenplatz.
Ankunft Sehnde. Wir sind nicht die letzten also heißt es wieder warten. Füße vertreten, geht nicht da es regnet. Langsam beschlagen die Scheiben von den Kraftfahrzeugen, Begeisterung pur. Im Hinterkopf kommt mir ein Satz wieder in Erinnerung: „Die meiste Zeit des Lebens, wartet der Soldat vergebens!“
Nach und nach füllt sich der Schützenplatz Sehnde. Am Ende sind wir dann mit ca.120 Mann / Frau aus der Stadt Burgdorf, Lehrte, Sehnde und der Gemeinde Uetze mit ihren über 20 Fahrzeugen komplett. Kurz vor 05:00 Uhr geht es dann weiter Richtung Hildesheim. Wie in einem Krimi steigt mein Beifahrer nach einer Besprechung ins LF (Löschgruppenfahrzeug) und sagt: „Folgen Sie diesem Auto…!“ und zeigt auf das Auto direkt vor mir. Langsam setzt sich die Kolonne in Bewegung. Fährt man mit Kindern, kommt gleich nach der ersten Kurve ein: „Ich muss mal… wo fahren wir hin… dauert es noch lange…!“ Hier im LF ist es nicht besser, Feuerwehrmänner/frauen sind wie Kinder, nur größer!
06.30 Uhr Ankunft Heersum.
Unser Zugführer meldet sich bei „unserer“ Einsatzleitung. Auftrag: „Dammbruch an der Innerste, sichern des Dorfes vor Überschwemmung durch Bau eines Sandsackwall auf der Straße -Neuer Weg-!“
An unserem Abschnitt angekommen, beginnen wir die Lage vor Ort festzustellen. Die ersten Sandsäcke von der Füllstation im Dorf kommen bei uns an und wir beginnen mit der Sicherung der angrenzenden Häuser. Zunächst kommen die Sandsäcke nur mäßig aber mit der Zeit wird deren Schlagzahl immer größer.
Da man dem Wasser beim Ansteigen des Pegel zusehen kann, beginnen wir auf der Straße einen Sandsackwall zu errichten. Von herangefahrenen Europaletten werden die Sandsäcke mit einer „Bitteschön / Dankeschön“ Kette an ihre Bestimmungsorte transportiert. Zunehmend steigt der Pegel und unser Wall versinkt nach und nach im Wasser. Die ersten Fragen nach dem „Warum“ werden laut. Hier gilt es aber einen kühlen Kopf zu bewahren. Wir sehen zwar, dass das Wasser steigt aber nicht das am Ende 2 Hochleistungspumpen des THW und der Feuerwehr das Wasser versucht abzupumpen.
Gegen 09:30 Uhr erreichen uns die ersten belegten Brötchen. Wurst, Käse und sogar an Nuss-Nugat-Creme wurde gedacht. Ich fand die Jungs aus Schillerslage schon immer toll. Diese sind als Mitglieder des Versorgungszuges für unser leibliches Wohl verantwortlich. Daumen hoch! Schichtweise nehmen wir uns Kaffeebecher und Brötchen. „Ohne Mampf - kein Kampf“ oder „Hunger macht schlechte Laune“.
Mittlerweile ist das Wasser so hoch angestiegen, das es uns in die Stiefel läuft. Es ist ein tolles Gefühl wenn man jeden Zentimeter spüren kann, den sich das Wasser durch die Stiefel bahnt. Wade, Hacken, Spann und ja, jetzt auch die Zehen. Ist der „Scheißegal“ Modus erreicht, arbeitet es sich auch gleich viel angenehmer. Was soll denn jetzt noch passieren!
Gegen 15:00 Uhr kommt dann die große Pause. Ab zu den Autos in der Etappe. Zum Glück hat es aufgehört zu regnen.. Hier ziehe ich mir erst mal trockene Sachen an… das ist wie Geburtstag, nur ohne Kuchen. Trockengelegt geht es zur Versorgungsstation. Hier warten erst mal Bockwurst und Brötchen auf uns. Der Küchenbulle verspricht gegen 16.00 Uhr Nudeln mit Bolognese fertig zu haben. Da auch die Jungs aus der Küche ihre Probleme haben, da Versorgungswege vom Wasser Versperrt sind, wird es 17:00 Uhr.
Wenn ich etwas beim Bund gelernt habe, dann das man immer und überall schlafen kann. Während ich mir die DIN-Trage aus dem LF hole, liegen die anderen auf allen was sich anbietet.
Gegen 17:30 Uhr geht es weiter. Wer nach einem Saunagang sich schon mal seine Nassen Sachen fürs Schwimmbad angezogen hat, kennt das Gefühl…Herrlich!
Mittlerweile haben sie bei uns in der Straße eine Füllstation errichtet. Wir kommen mit dem Verlegen zügig voran, und arbeiten uns den Lehrter Kräfte Sack für Sack entgegen.
Dann ist es endlich soweit. Die ersten 3 Lagen Sandsäcke sind gelegt. Jetzt kommt Stufe 4-6. Der Damm wird zusehends höher und breiter. Auch das Abpumpen scheint zu funktionieren. Nach und nach erkämpfen wir uns den Asphalt wieder und die Straße wird wieder begehbar.
Gegen 22:00 Uhr kommt dann die Ansage das alle Kraftfahrer schlafen gehen sollen. Ich gehe also wieder zum LF, lege mich ein weiteres mal trocken und verkrümel mich, nachdem ich noch mal schnell im Gemeindehaus war, in meinen Schlafsack den ich mir auf der DIN-Trage im Fußraum ausgerollt habe. Gegen 01:00Uhr werde ich wieder geweckt. „Fertig machen zur Abfahrt!“. Ich schäle mich aus meinem Schlafsack und ziehe mich an. Dann habe ich die Möglichkeit noch schnell etwas zu Essen. Als „Mittelwächter“ gibt es nochmal die Nudeln mit Bolognese . Ich muss zugeben das ein „perfektes Dinner“ anders aussieht, aber wenn ich die Umstände betrachte, war es nah dran.
Jetzt werden wir in Kleinen Grüppchen auf die Reise nach Hause geschickt. Unser Zug (4 Autos) kommt gegen 02:00Uhr im Feuerwehrhaus Burgdorf an. In einem letzten Aufbäumen machen wir unser Löschgruppenfahrzeug noch grob rein Schiff, und verlasten unsere privaten Sachen wieder in unsere Autos.
Nachdem ich gegen 03:00 Uhr zu Hause geduscht habe falle ich tot ins Bett. Ich bekomme noch nicht einmal mit, wie ich mir selber die Decke über die Ohren ziehe.
Feuerwehrmänner sind gewohnt schnell zu denken und zu arbeiten. Die Zeit die ein „normaler“ Einsatz dauert, ist in der Regel überschaubar. Umso schwerer fällt es dem einem oder anderen diese Einsatzstelle als kleinen Teil eines großen und ganzen zu sehen.
Wir mussten „nur“ Sandsäcke verlegen. Die Organisation der Einsatzleitung ist aber nicht weniger anstrengend. Wo bekommen wir Sandsäcke her? Wer liefert den Sand? Wann gibt es was zu Essen oder zu trinken? Wo können die Helfer aufs Klo? Wann kommt Ersatz? Wie ist die aktuelle Lage? Wann und wer baut Licht auf? Wie lange reicht der Sprit? Und und und…
Wie erfolgreich wir waren, kann ich nicht sagen. Dafür fehlt mir der Blick auf das große Ganze. Zumindest habe ich zum Schluss gesehen, dass wir einen Damm gebaut haben der eine Seite mit Wasser und eine „Trockene“ Seite hatte. Was ich aber sagen kann ist, dass die Stimmung bei uns immer gut war und wir konzentriert und gewissenhaft gearbeitet haben.
Ich werde also nicht damit anfangen ein gutes Spiel zu zerreden.